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Antisemitismus in Deutschland? Ausländerfeindlichkeit?

Am 11. Dezember vor 80 Jahren ist Jochen Klepper gestorben. Der Tag wird wenig als Gedenktag begangen.

Es war kein normaler Tod: am Abend setzten sie sich – Jochen Klepper, Hanni Stein, seine Frau, und ihre Tochter Renate – an ihren Küchentisch, drehten den Hahn zum Gasherd auf, und gingen gemeinsam in den Tod. Eine Information aus der deutschen evangelischen Kirchengemeinde in Bangkok ernerte mich an ihn: “Am zweiten Advent (11. Dezember 2022), haben wir im Gottesdienst das Adventslied: ‘Die Nacht ist vorgedrungen’ von Jochen Klepper gesungen. Es war unbekannt.”

Das ist überraschend, denn es gibt 12 Lieder von Klepper im evangelischen Kirchengesangbuch; damit ist er nach Martin Luther (1483-1546 – 28 Lieder) und Paul Gerhardt (1607-1676 – 26 Lieder) der dritthäufigste Autor in diesem Gesangbuch.

Ist Jochen Klepper nur vergessen – oder ist es auch eine Art von Verdrängung, um Unangenehmes gar nicht in die Erinnerunngen der eigenen Geschichte aufzunehmen?

Am 30.11.2022 stellte die Frankfurter Allgemeine Zeitung die „„Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben” vor, die vom Budndesinnenministerium erlassen worden war.

Die Bundesregierung will stärker gegen Hass auf Juden vorgehen und jüdisches Leben in Deutschland fördern. Vor dem Hintergrund stetig steigender antisemitischer Straftaten hat das Bundeskabinett eine „Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben“ verabschiedet. Ziel der Strategie sei es, das Leben von Juden in all seinen Facetten sichtbar zu machen und Judenhass entgegenzuwirken.” – Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei bundesweit 3027 antisemitische Straftaten.

Aber wie wurde Jochen Klepper und seine Familie vor 80 Jahren in den von ihnen gewählten Tod getrieben?

Kurz einige wichtige Stufen ihres Lebens:

Das Folgende ist im Wesentlilchen ein Auszug aus dem Porträt von Jochen Klepper, das Reihard Mawick in: zeitzeichen – Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft gezeichnet hat.

– Am 22. März 1903 wird Jochen Klepper als Pastorensohn geboren.

– Kleppers Großvater väterlicherseits hinterließ ein stattliches Vermögen, das es der Familie erlaubte, zumindest bis zur Inflation 1923 auf deutlich größerem Fuß zu leben, als es das Pfarrgehalt von Vater Georg Klepper erlaubt hätte.

– Seit 1917 im Gymnasium, aber Ende 1917 wird er unter der Woche mit einem Mitschüler bei seinem Französischlehrer Erich Fromm einquartiert, ein strammer Patriot und – und auch ein Antisemit. Er wird zu einer seiner wichtigsten Bezugspersonen.

– Der junge Jochen Klepper ist der Schutzbefohlene, ist Schüler, ist abhängig, und es deutet einiges darauf hin, dass der Lehrer und väterliche Freund diese Abhängigkeit ausnutzt: ihn sexuell missbraucht. „Gefühlsverwirrung und Scham verschließen dem jungen Mann den Mund. Vielleicht ist er nicht als Einziger betroffen. Von den zwölf Schülern seines Gymnasialjahrgangs werden sich bis zum Schulabschluss fünf das Leben nehmen.”

– Klepper wohnt bis zum Abitur 1922 bei Erich Fromm. Nach dem Abitur studiert Klepper Theologie, er wandelt auf den Spuren seines Vaters.

– Die Inflation 1922/23 vernichtet einen Großteil des väterlichen Vermögens, Klepper weiß, dass er nun auch finanziell auf eigenen Füßen stehen muss. Er schickt kleine Texte und Gedichte an Zeitungen, die zuweilen veröffentlicht werden, was ihn sehr freut und dringend benötigtes Geld bringt.

– Seine Gesundheit ist sehr anfällig, und ständig quälen ihn Geldsorgen. Im Jahr 1926 erleidet er einen psychischen Zusammenbruch. Im Laufe dieses mehrere Monate währenden Zustandes vernichtet er fast alle seine Gedichte und literarischen Skizzen und beendet sein Theologiestudium, denn er muss dringend Geld verdienen, weil die Eltern auf Jochens Unterstützung angewiesen sind.

– In der Folgezeit wird Klepper immer erfolgreicher als Journalist und Autor, 1927 wird er Redakteur eines Presseverbandes, er arbeitet auch bald als Autor für den Rundfunk.

– 1928 tritt er in die SPD ein – die Motive dafür sind nicht ganz klar.

– 1929 lernt Jochen Klepper Johanna Stein kennen. Er sucht ein neues Zimmer und stellt sich bei der vermögenden Witwe, die 13 Jahre älter ist als Klepper, vor. „Wenn ich diese Frau nicht heiraten kann, will ich nie im Leben eine andere“, habe er gleich gedacht, so erzählt er später. – Hanni Stein hat zwei Töchter: Brigitte (damals 11) und Renate (damals 9 Jahre alt). Kleppers Eltern und die Geschwister sind nicht begeistert. Gegen die antijüdischen Ressentiments, die in dieser Zeit dramatisch anwachsen, ist auch Kleppers Familie nicht immun. 1931 heiraten Jochen Klepper und Hanni Stein. Kleppers Familie kommt nicht zur Trauung.

– „Jochen und Hanni Klepper geben ein interessantes Paar ab. Er hat gerade seinen 28. Geburtstag gefeiert, sie hat die 40 überschritten. An gemeinsamen Vorlieben haben sie die Musik und das Theater, aber auch die Literatur und die Freude an allem, was formvollendet und edel ist. – Die beiden Mädchen, Brigitte und Renate, nehmen in Jochen Kleppers Leben und Überlegen viel Raum ein.“ Er wollte von ihnen nicht Vater genannt werden, aber er hat die Vaterrolle ein- und angenommen.”

– Bald nach der Hochzeit bekommen die Kleppers die Wirtschaftskrise zu spüren. Klepper bekommt kaum noch Aufträge, und auch das Vermögen von Hanni Stein gerät in Turbulenzen. Das hat zur Folge, dass Jochen Klepper zunächst allein Ende September 1931 nach Berlin übersiedelt, um in der Millionenmetropole neue Arbeit zu finden.

– Im Laufe des Jahres 1932 etabliert sich Klepper dort als Autor, er veröffentlicht wieder mehr Artikel. Endlich findet er auch eine großzügige und bezahlbare Wohnung in Berlin, sodass Hanni Stein und die Töchter im März 1932 nachkommen können. Wirtschaftlich geht es für die Familie langsam etwas besser, die politische Lage aber wird im Laufe des Jahres 1932 immer schlechter.

– Trotzdem beginnt Klepper Ende September 1932 einen neuen Roman, eine heitere Geschichte aus dem Milieu der Oderschiffer: Der Kahn der fröhlichen Leute.

. Unsicher bleibt, ob ein Verlag ihn nimmt. Dafür werden seine Kontakte zum Rundfunk enger, er wird angestellt. Um mögliche Hindernisse auszuräumen, tritt Klepper im Oktober 1932 aus der SPD aus – denn beim Rundfunk ist man schon damals streng rechtsnational eingestellt.

– Am Tag nach der „Machtergreifung“ Hitlers, am 31. Januar 1933, schreibt er in sein Tagebuch: “Hitler ist Reichskanzler. Noch einmal ist das verhängnisvollste Bündnis zustande gekommen, (…) die größte deutsche Gefahr: das Bündnis zwischen dem Adel und dem Pöbel. Im Funk müssen wir alle mit unserer Entlassung rechnen. Auf dem Funkhaus die Hakenkreuzfahne! Was uns jetzt an Antisemitismus zugemutet wird, ist furchtbar.”

– Kaum sind die Nazis an der Macht, sinkt der Stern des jungen Redakteurs beim Funkhaus Berlin, denn nun gilt er als „jüdisch versippt“: “Ich werde im Funk (…) mühevoll durchgehalten… Ich muss anonym arbeiten. Hörfolgen, ganze Zyklen, die von A bis Z mein geistiges Eigentum sind, laufen unter dem Namen anderer – träger und unbegabter – Autoren! Auch in der Regie muss ich anonym bleiben, (…) nur weil ich eine jüdische Frau habe.” (5. Juni 1933)

– Am 7. Juni 1933 wird Klepper beim Funk entlassen. Kurz ueberlegt er zu emigrieren, so wie es viele deutsche Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle bereits getan haben. Aber Klepper hängt zu sehr an Deutschland, an der deutschen Sprache. Außerdem wird sein heiterer Roman „Der Kahn der fröhlichen Leute” endlich ein grosser Erfolg, und die Buchtantiemen helfen nach der Funkentlassung durchzuhalten.

– Die Eintragungen im Tagebuch lassen deutlich werden, was für ein Schatz der Glaube für Jochen Klepper darstellt. Obwohl er sich einst bewusst gegen den Pfarrerberuf entschieden hatte, ist Klepper ein durch und durch gläubiger evangelischer Christ, der nicht anders kann, als die ganze Welt und ihr Ergehen im Lichte des Glaubens zu verstehen:

“Dass ich aber fromm bin – das schreibe ich so lapidar ganz ruhig. Es ist das Geschenk meines Lebens. Jenes Geschenk, das einem unter effektiven Qualen zu Teil wurde und nun die Frage nach der Schuld und dem Übel stumm macht, obwohl man täglich die Schuld und das Übel durchlebt.” (14.3.1933) – “Ist Gott nicht : dann ist mir alles gleich, Glück oder Unglück, Gut oder Böse, Tod oder Leben. Ist Gott: dann ist mir erst recht alles gleich; dann soll er mit mir machen, was er will. Die Nerven sind in Unruhe, aber die Seele ist ruhig. Die Vorgänge sind wirr, aber mein Schicksal ist geordnet.” (3.4.1933)

– Im Sommer 1933 hatJochen Klepper ein kleines Glück im großen Unglück: Wenige Wochen nach seiner Funkentlassung findet er eine neue Stellung in einem Verlag.– Die Bürotätigkeit bei enem Verlag füllt Klepper nicht aus. Er möchte einen Roman schreiben über Friedrich Wilhelm I. von Preußen (1688-1740), den „Soldatenkönig“ unter dem Titel Der Vater. Aber im Sommer 1935 verliert er seinen Arbeitsplatz. Der Grund: Seine angeheiratete jüdische Familie. 1935 schreibt er auch seine ersten „Geistlichen Lieder“, oder „Kirchenlieder“, wie er sie selbst nennt, Gelegenheitswerke neben seiner Arbeit am neuen Roman.

– Im Frühjahr 1937 erscheint „Der Vater“ – und das 900-Seiten-Buch wird ein sehr großer Erfolg. Der Roman wird mehr als 100.000 Mal verkauft. In diesem Buch beschreibt Klepper realistisch, aber letztlich mit Sympathie und in Überhöhung, die Geburt des modernen Preußens und die Rolle des frommen, gestrengen, aber letztlich gerechten Kronprinzen und späteren Königs.

– In dem Buch ist eine Menge „Obrigkeitsmystik“ im Spiel. „Könige, Majestäten, Könige im Glauben sind wandelnde Gleichnisse unter den Menschen, sind Hüter der heiligen Ordnungen Gottes, für die er sich in seinem Sohn hingab. Haushalter seiner Geheimnisse sind die Könige – auch dort, wo sie morden.”

– Der große Erfolg des Romans, der Anerkennung bis in höchste Wehrmachts- und Regierungskreise bringt, ist nur ein brüchiger Schutzschild: Brigitte, die ältere der beiden Töchter Hanni Steins, ist 19 Jahre alt. Sie emigriert im Mai 1939 nach England. Die 17-jährige Renate, bleibt bei den Eltern.

– Am 1. September 1939 beginnt der Zweite Weltkrieg. Immer häufiger hören sie von Deportationen jüdischer Menschen in die besetzten polnischen Gebiete. Klepper fürchtet Zwangsscheidung von seiner Frau und Deportation beider. Aber im Dezember 1940 wird Klepper zur Wehrmacht eingezogen. Er ist paradoxerweise froh darüber, denn er meint, dass er Frau und Tochter „im Felde“ besser schützen könne als zu Hause. Doch aufgrund „jüdischer Versippung“ wird er Anfang Oktober 1941 unehrenhaft aus der Wehrmacht entlassen.

– Kaum ist Klepper zurück in Berlin, setzt er alle Hebel in Bewegung, um der zweiten Tochter eine Emigration in die Schweiz zu ermöglichen. Doch die Schweiz mauert, auch Schweden scheint nicht geneigt, bedrohte deutsche Juden aufzunehmen.

– Dann, am 5. Dezember 1942 überschlagen sich die Ereignisse: Das schwedische Ministerium des Äußeren hat angerufen, dass für Renate die Einreiseerlaubnis erteilt ist.” Nun müssen nur noch die deutschen Stellen mitmachen: der Reichsinnenminister, höchstpersönlich, schätzt Klepper als Autor von „Der Vater“. Doch auch er kann (oder will) nicht helfen: “Noch ist Ihre Frau durch die Ehe mit Ihnen geschützt. Aber es sind Bestrebungen im Gange, die die Zwangsscheidung durchsetzen wollen. Und das bedeutet nach der Scheidung gleich die Deportation des jüdischen Teils… Ich kann keinen Juden schützen. Solche Dinge können sich der Sache nach nicht im Geheimen abspielen. Sie kommen zu den Ohren des Führers und dann gibt es einen Mordskrach.”

– Kleppers Verzweiflung wächst ins Unermessliche. Erstmals lehnt er sich auch innerlich gegen Gott auf: “Gott weiß, dass ich es nicht ertragen kann, Hanni und das Kind in diese grausamste und grausigste aller Deportationen gehen zu lassen. Er weiß, dass ich ihm dies nicht geloben kann, wie Luther es vermochte: ‘Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, lass fahren dahin’ – Leib, Gut, Ehr – ja! Gott weiß aber auch, dass ich alles von ihm annehmen will an Prüfung und Gericht, wenn ich nur Hanni und das Kind notdürftig geborgen weiß.” (8.12. 1942)

– In der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 setzen sich Hanni Stein, Renate Stein und Jochen Klepper an ihren Küchentisch, drehen den Hahn zum Gasherd auf und gehen gemeinsam in den Tod.

– Die letzte Eintragung in Klepper’s Tagebuch, die einzige Eintragung, über der kein Bibelvers steht: “Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.”

Reinhard Mawick zitiert aber auch Kritik:

“Heute denkt man: Natürlich hätte er emigrieren müssen. Auswandern, fliehen am besten gleich 1933. Thomas Mann tat es, Berthold Brecht tat es, der Theologe Paul Tillich tat es – sie alle verließen Deutschland und – sie überlebten. Jochen Klepper emigrierte nicht, er blieb in Berlin, er erduldete alles, was da kam. Und nicht nur das: In seinem Tagebuch wird immer wieder deutlich: Klepper kann, ja will sich gar nicht auflehnen.

“Diese Geduld, dieses Ausharren, dieses Erleiden wurde ihm später vorgeworfen. Zum Beispiel vom Schweizer Schriftsteller Rudolf Jakob Humm, sich in den 1950-er Jahren über Klepper empörte (Ein deutsches Schaf, in : Unsere Meinung, Zürich, Februar/März 1959, hier zitiert nach Rita Thalmann.), besonders über dessen Wehrdienst, denn dieser „(hätte) auf jeden von uns ohne mit der Wimper zu zucken geschossen (…), wenn ihm das von seinem Nazistaat befohlen worden wäre, und für diese Führung und Fügung obendrein seinem Gott auf den Knien gedankt.” -„Jedes Land hat sein Getier,aber Schafe gibt es wirklich nur in Deutschland. Welch ein Einfaltspinsel, der sein Gewehr ergreift im Dienste eines Staates, der ihm vorschreibt, welche Frau er heiraten darf. Jochen Klepper sah im Nazistaat die von Gott eingesetzte Obrigkeit. Wir stehen vor einer Schicksalsergebenheit, die weit schlimmer ist als die vom dialektischen Materialismus geschaffene! Der Fall Jochen Klepper gereicht der evangelischen Kirche nicht zur Zierde!”

“Man ist versucht, Jochen Klepper, der so wunderbare geistliche Lieder schrieb, in Schutz nehmen. Aber in der Sache liegt dieser unbarmherzige Kritiker nicht wirklich daneben: Ja, Klepper war schicksalsergeben. Er war sehr damit beschäftigt, die immer neuen, immer schwereren Bedrängnisse tiefsinnig zu deuten und bedeutungsschwer zu interpretieren, anstatt alles daran zu setzen, dieser Bedrohung zu entkommen. Klepper war eben nicht (der Theologe) Dietrich Bonhoeffer, sondern erscheint eher als ein dunkles, passives Gegenbild zu Bonhoeffer, der Lichtgestalt, die aktiv Widerstand leistete (und schliesslich 1945 hingerichtet wurde). Jochen Klepper schuf zwar wunderschöne geistliche Gedichte, aber politisch war er sicher zuduldsam, zu passiv, zu geduldig.”

Die umfangreichste Biografie veröffentlichte 1977 die Historikerin Rita Thalmann.

Alles ganz anders, alles nicht vergleichbar? Wer steht mit den Opfern heute, ehe sie keinen Ausweg sehen? Wer stimmt nicht nur der „Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben” zu, sondern handelt auch aktiv – und nicht nur gegen antisemitische Straftaten, sondern gegen die rassistsischen Sprueche und Taten? Die folgenden Zahlen zeigen eine ueberdeutliche Tendenz.

Bis heute erfreuen sich einige Lieder Jochen Kleppers, die im Evangelischen Gesangbuch stehen, großer Beliebtheit. Und eines, das berühmteste, wird sicherlich am kommenden dritten Adventssonntag in vielen Kirchen gesungen „Die Nacht ist vorgedrungen“. Der kommende Sonntag lädt auch zum Gedenken an den tragischen Tod Kleppers und seiner Familie vor 80 Jahren, am 11. Dezember 1942, ein.

Es ist besonders die Biografie Jochen Kleppers, die neben der Eigentümlichkeit seiner geistlichen Dichtung immer wieder berührt. „Ein Leben zwischen Idyllen und Katastrophen“, wie es die Klepperbiografin Rita Thalmann im Untertitel ihres 1977 in erster Auflage erschienenen Buches über den Dichter bezeichnete – das passt.

Muss man mit Kleppers politischen und staatsbürgerlichen Verhalten hadern, wenn man sich heute in seine Texte versenkt? Die Trennung von Person und Werk erscheint hier eher angebracht zu sein, denn um die Texte wäre es schade: Die lyrische Sprache Kleppers ist altertümlich, bewusstaltertümlich. Sie ist stilistisch geschult und inhaltlich gespeist von der Lutherbibel, von den Chorälen Paul Gerhardts und anderer großer geistlicher Dichter. Und doch hat die Sprache Jochen Kleppers bei aller Strenge und gewobenen Künstlichkeit einen Zug, der anrühren kann. Klepper versteht es kunstvoll, das „Schon-und-Noch nicht“ des christlichen Glaubens zum Ausdruck zu bringen. Darin liegt bis heute die Kraft seiner geistlichen Lyrik, die sich besonders an dem Gedicht „Die Nacht ist vorgedrungen“ aufzeigen lässt.

Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern.
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern.
Auch wer zur Nacht geweinet,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch deine Angst und Pein.

Dem alle Engel dienen,
wird nun ein Kind und Knecht.
Gott selber ist erschienen
zur Sühne für sein Recht.
Wer schuldig ist auf Erden,
verhüll nicht mehr sein Haupt.
Er soll errettet werden,
wenn er dem Kinde glaubt.

Die Nacht ist schon im Schwinden,
macht euch zum Stalle auf!
Ihr sollt das Heil dort finden,
das aller Zeiten Lauf
von Anfang an verkündet,
seit eure Schuld geschah.
Nun hat sich euch verbündet,
den Gott selbst ausersah.

Noch manche Nacht wird fallen
auf Menschenleid und -schuld.
Doch wandert nun mit allen
der Stern der Gotteshuld.
Beglänzt von seinem Lichte,
hält euch kein Dunkel mehr.
Von Gottes Angesichte
kam euch die Rettung her.

Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erhellt.
Als wollte er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich den Erdkreis baute,
der läßt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht.